Die konstantinische und mittelalterliche Basilika - Alt San Pietro
So bewog der Glauben an die Verehrungswürdigkeit der, wenngleich im 3. Jahrhundert durch Restaurierung und
Dekoration ausgestalteten, Memoria, Kaiser Konstantin in der Zeit um 320 den Bau der ersten Peterskirche zu
initiieren, auch wenn es dabei vielen Schwierigkeiten entgegenzutreten galt.
Das größte Problem lag darin, den ungünstigen Baugrund so umzugestalten, dass die Basilika sicheren Halt bekam.
Denn das Gelände, auf dem sie errichtet werden sollte, neigte sich in zwei Richtungen. Um einen ebene Fläche
zu erhalten, wurde eine Plattform aufgeschüttet, wobei als Niveau und Orientierungspunkt jener die Memoria
über dem vermuteten Petrusgrab diente (Abb. 1). Zuerst errichtete man südlich der Mausoleen der Nekropole drei
parallel verlaufende Grundmauern, welche als Fundamente der Außenmauern der zukünftigen Basilika und der die
Seitenschiffe trennenden Säulenreihen dienten. Die südliche Fundamentmauer muss laut Berechnungen etwa 10m hoch
gewesen sein. Zugleich wurde auch der Südosthang des vatikanischen Hügels abgetragen, um die Fläche der Plattform
zu vergrößern. Rund 40.000 m³ Erde mussten beseitigt werden - diese wurde zur Verfüllung der Räume zwischen den
südlichen Fundamentmauern genutzt. Dabei wurden auch Abschnitte der Nekropole, die unter dem vorgesehenen Bodenniveau
lagen, zugeschüttet - diese Tatsache ist Beweis dafür, dass das Bauvorhaben vom Kaiser persönlich verfügt wurde, da
Gräber nach Römischen Recht sakrosankt waren und nur Konstantin in seiner Funktion als pontifex maximus einen solchen
Schritt anordnen konnte.
Nach der Zuschüttung und Auffüllung ragte nur noch die Memoria über das Niveau der Plattform hinaus und wurde
so in den Kirchenbau einbezogen. Um sie zu stabilisieren wurde sie an drei Seiten durch marmorverkleidetes Mauerwerk
ummantelt, eine sogenannte Aedicula entstand. An der Vorderseite, zum Kirchenschiff hin, gab es eine Öffnung, durch
die die Memoria des 2. Jahrhunderts zu sehen blieb.
Die Grabungen ergaben weiterhin, dass sich die Aedicula an der Apsissehne zwischen vier im Quadrat angeordneten
Säulen befand, die durch Schrankenplatten verbunden waren (Abb.2). Die Säulen trugen einen Baldachin. Zwei weitere
Säulen, die einen Architrav trugen, schlossen das Areal zur Apsis hin ab. Diese genaue Vorstellung vom Aussehen und
Aufbau der konstantinischen Petrusmemoria ist uns überliefert durch eine Darstellung auf einem Elfenbeinkästchen des
4. Jahrhunderts, welches in Samagher, Istrien 1905 gefunden wurde. Auf seinem Frontrelief ist das Presbyterium von Alt
St. Peter abgebildet.
Der Standort des wohl beweglichen Altars ist heute nur noch zu vermuten: er befand sich vor der Memoria im Längsschiff.
Um dem Gedächtniskult des Apostels einen würdigen Rahmen zu geben, wurde eine Basilika gewaltigen Ausmaßes gebaut.
Ihre Länge betrug 119m, die Breite 64m. Das der Apsis vorgelagerte Querhaus war 90m lang. Vom Bautyp her war die
Kirche eine fünfschiffige Basilika mit einem großen Mittelschiff und je zwei Seitenschiffen. Bis zu diesem Zeitpunkt
einzigartig war das Querhaus, in dessen Zentrum sich die Aedicula befand. Abgeschlossen wurde es an den Schmalseiten
von Exedren. Hinter dem Querhaus befand sich die Apsis (Abb.3 - 7). Das Innere der Basilika war reich mit Mosaik- und
Marmorarbeiten geschmückt. Ihr Bau soll um das Jahr 329 beendet gewesen sein.
Dennoch war schon diese erste Kirche ständigen Veränderungen in Form von Um- und Ausbau unterworfen.
Papst Symmachus (498-514) ließ ihr eine vierseitige Portikus vorblenden, welche 56m lang und 62m breit war.
Unter Gregor dem Großen (590-604) kam es zu wichtigen baulichen Veränderungen im Bereich der Apsis. Der Altar
sollte in unmittelbare Nähe zur Memoria gebracht werden. Da man diese aber nicht beeinträchtigen wollte, wurde
der Fußboden der Apsis um 1,45m erhöht, so dass sie von allen Seiten bis auf die Front von einem Podium
eingeschlossen wurde (Abb. 8 und 9).
Damit jedoch weiterhin der Zugang zur konstantinischen Aedicula erhalten blieb, wurde an der Innenwand der Apsis,
unter dem höhergelegten Fußboden, ein Gang geschaffen. Dieser wurde noch tiefer als das konstantinische Bodenniveau
gelegt und man stieg über zwei Treppen an der Querschiffmauer in ihn hinab. Am Scheitelpunkt der Apsis zweigte ein
Stichkorridor ab, welcher zur Aedicula führte.
Im Zuge dieses Umbaus wurden sowohl der Baldachin als auch die Schrankenanlage entfernt und die sechs Säulen
in einer Reihe vor der erhöhten Apsis aufgestellt. Papst Gregor II. (731-741) ließ vor diese Säulen nochmals
sechs ähnliche aufstellen, welche mit Chorschranken verbunden waren. Von diesen zwölf Säulen befinden sich
heute noch elf in St. Peter.
Der von Gregor I. initiierte Umbau des Presbyteriums zu einer sogenannten Ringkrypta mit erhöhter Apsis hat
in der Folgezeit viele Nachahmungen gefunden, beispielsweise in den Kirchen S. Pancratius, S. Valentinan und
S. Marco. Aber auch außerhalb Roms, in Farfa und Spoleto, konnten Ringkrypten nachgewiesen werden.
Im wesentlichen behielt die Basilika während des Mittelalters ihre Form - nur 1123 ließ Papst Calixtus
einen neuen Altar errichten, indem er den gregorianischen Altar ummanteln ließ.
Abb. 1 Substruktionen (Plattform) der konstantinischen Basilika und die römische Nekropole.
Nord-Süd-Schnitt mit Ansicht nach Westen (nach Esplorazioni, I Abb. 106)
A. Pavimento della Basilika Constantiana, B. Quota pavimento della Basilica attuale
aus: Louis Reekmans, Bemerkungen zum Petrusgrab unter der Konstantinischen Basilika am Vatikan, in: Boreas 20, 1997, Seite 73.
Abb. 2 Petrus-Memoria, Schrankenanlage und Baldachin vor der Apsis der konstantinischen Basilika.
(Plan nach Esplorazioni, I Abb. 121)
aus: Louis Reekmans, Bemerkungen zum Petrusgrab unter der Konstantinischen Basilika am Vatikan, in: Boreas 20, 1997, Seite 77.
Abb. 3 Rom, Petersbasilika, um 324 von Kaiser Konstantin dem Großen gegründet.
(Grundriss nach Krautheimer)
aus: H. Brandenburg, Roms frühchristliche Basiliken des 4. Jahrhunderts, Heyne Verlag, München 1970, Seite 132.
Abb. 4 Rom, Petersbasilika, Apsis: Baldachin (um 324) über der Ädikula (um 160) über dem vermutlichen Petrusgrab.
(Rekonstruktion nach Esplorazioni)
aus: H. Brandenburg, Roms frühchristliche Basiliken des 4. Jahrhunderts, Heyne Verlag, München 1970, Seite 135.
Abb. 5 Peterskirche, Rekonstruktion des Zustandes um 330 n. Chr.
aus: R. Krautheimer, Rom. Schicksal einer Stadt, Beck Verlag, München 1996, Seite 37.
Abb. 6 Die Peterskirche im Mittelalter (Rekonstruktion nach Brewer und Crostarosa)
aus: L. von Pastor, Die Stadt Rom zu Ende der Renaissance, Herder Verlag, Freiburg 1925, Seite 14.
Abb. 7 Die alte Peterskirche - Querschnitt
aus: L. von Pastor, Die Stadt Rom zu Ende der Renaissance, Herder Verlag, Freiburg 1925, Seite 15.
Abb. 8 Die Neuordnung des Presbyteriums um die Petrus-Memoria in der konstantinischen Basilika durch Papst Gregor d. Gr. (um 600)
Rekonstruktion (nach Esplorazioni, I Abb. 136 c)
aus: Louis Reekmans, Bemerkungen zum Petrusgrab unter der Konstantinischen Basilika am Vatikan, in: Boreas 20, 1997, Seite 78.
Abb. 9 Die Neuordnung des Presbyteriums um die Petrus-Memoria in der konstantinischen Basilika durch Papst Gregor d. Gr.
Axonometrische Rekonstruktion (nach Esplorazioni, I Abb. 141)
aus: Louis Reekmans, Bemerkungen zum Petrusgrab unter der Konstantinischen Basilika am Vatikan, in: Boreas 20, 1997, Seite 79.
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